13.04.2010

Unter Sexualtherapeuten: fast wie in einer anderen Welt

Vor einigen Woche war ich auf einer Weiterbildung für Sexualtherapie. Als ich bei der Vorstellungsrunde dann erzählte, was ich mache (Salon, Beratung, Portal), hatten doch schon einige von mir gehört, was mich ein wenig überraschte. Aber ich freute mich natürlich auch, dass ich mit meinen Angeobten auch über Berlin hinaus bekannt bin. Doch nun zum eigentlichen Thema, über das ich schreiben wollte: ich als nicht-Therapeutin (so darf man sich nur nach bestimmten Kriterien nennen) habe während des Seminars so einige für mich wunderliche Dinge gesehen, die ich als "Branchenkennerin" ein wenig erstaunlich fand.

An einem der Abend in gemütlicher Runde stellte sich heraus, dass es unter den Sexualtherapeutinnen etliche gab, die noch nie in einem Erotikshop gewesen waren. Das wundert mich ja doch schon etwas. Natürlich kann man als Beraterin nicht immer alles zumindest einmal ausprobiert haben. Und man muss als Beraterin auch nicht alles mögen. Und man könnte ja auch fragen, wo liegt die Grenze? Was sollte man/frau unbedingt selbst ausprobiert haben, wenn man dazu berät? Es ist schwierig zu sagen. Und doch: es ist ein bisschen so, als wollte man Menschen beibringen zu schwimmen, ohne selbst einmal in einem Schwimmbad gewesen zu sein.
Eine andere Frage, die mir in den Kopf gekommen ist: wie lustvoll sollten Therapeut/innen sein? Wie sehr sollte ihre Sexualität entspannt und befriedigend sein? Auch die Therapeuten haben ihre Höhen und Tiefen, egal, welchen Bereich es betrifft. Und jeder Mensch hat seine Begrenzungen. Doch bei einigen vermutete ich doch auch gewisse Unsicherheiten bei speziellen Aspekten der Sexualität.

Es war kein Tantra-Seminar, sondern eine Weiterbildung in therapeutischen Methoden, also vom Ansatz her kopflastig (genau deswegen war ich ja auch da!) und nicht auf Genuss und Körperlichkeit ausgerichtet . Nach den 3 Tagen jedoch, als ich wieder zu Hause war, bemerkte ich, dass ich in diesen drei Tagen geradezu körperlos gewesen war. Eine interessante Erfahrung: da geht es um Sexualität und das Körpergefühl verflüchtigt sich ;-)

Auch eine Neugier auf unterschiedliche Bereiche der Sexualität war nicht vorhanden, zumindest habe ich sie nicht gespürt. Selbstverständlich hat nicht jeder so ein Interesse an und Wissen über alle Spielarten der Sexualität wie ich. Da bin ich sicherlich eine Ausnahme. Aber sollten Sexualtherapeuten nicht viel mehr wissen über SM, Fetisch, Swinger etc.?
Dies sind Fragen, die mir in diesen Tagen durch den Kopf gegangen sind. Das soll nicht heissen, dass ich die anderen Teilnehmer/innen unqualifiziert wären (ich habe deren Kompetenzen in den Kleingruppen immer wieder erlebt), aber teilweise kam ich mir vor wie eine Ethnologin, die sich die (psychologische/sozialpädagogische) Therapeutenszene und deren Gebräuche und Sitten anschaut und dabei einige für mich sonderlichen Verhaltensweisen entdeckt.

Aber wer weiss, was die anderen Teilnehmer über mich gedacht haben ;-)

5 Kommentare:

Peter Noske hat gesagt…

Hallo Silke,
danke für den Einblick in Dein Erleben dieser Fortbildung. Konnte ich gut und angenehm nachvollziehen. - Beim Einstieg in die Welt des Bloggens , genauer: Ob und wie ich meinen Blog, meine Themenvielfalt thematisch einordnen könnte? <a href="http://www.peternoske.de/?q=blog/1</a> -bin ich hier gelandet. Und freue mich und staune was ich wohl alles in den letzten Jahren allein bei Euch verpasst habe. Nun gut es fährt ja jetzt die Regionalbahn bis zum Alex.
Und dann sehe ich weiter was da so bei Euch los ist.
Mit den besten Wünschen für gute Zeiten
Petar

Die kleine Lady hat gesagt…

Interessanter Artikel.

Ich als Endkunde würde von meinem Schwimmlehrer schon wollen, dass er alle Schwimmarten kennt. Ok, für das Apnoetauchen würde ich mir einen Speziallehrer nehmen, aber eine gewisse Erfahrung setze ich einfach voraus. Und gerade wenn es nicht um reine "Schulung" sondern Therapie geht!

Schöne Grüße und bitte mehr solche Artikel!

Undine hat gesagt…

In der Tat ein interessanter Einblick. Erinnert mich spontan an die prä-orgasmische Paartherapeutin in "Shortbus" (ein absolut glorreicher Film).

Inwiefern Sexualtherapeuten über eine möglichst diverse eigene Sexualität verfügen sollten, ist eine gute Frage. Ich kann mir vorstellen, dass eigene Erfahrungen manchmal auch hinderlich dabei sein können, sich voll auf den Klienten zu konzentrieren. Vielleicht ist es eine Frage des Therapiestils - wer primär spiegelt und empathisch zuhört, dessen eigene Sexualität ist weniger relevant als die eines Coaches, der explizite Praxis-Tipps und Anregungen gibt. Für beide Formen gibt es vermutlich ein Klientel, das die jeweilige Arbeisweise bevorzugt.


Beste Grüße,
Undine

Silke Maschinger hat gesagt…

Hallo Undine! Ja, das ist eine schöne Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Beratungsstilen. Und es stellt sich die Frage: muss ein/e gute/r Sexualtherapeut/in auch ein tolles Sexualleben haben oder "reicht" es, wenn die Beratung erfolgversprechend ist. Ich glaube, am wichtigsten ist es, sich als Berater/in seiner eigenen Grenzen bewusst zu sein und damit klar im Beratungsgespräch umzugehen. Man kann auch andere ermutigen, bestimmte Grenzen zu erweitern, auch wenn man sie selbst nicht erweitern möchte. Das funktioniert aber nur, wenn einem das ganz klar ist

Anonym hat gesagt…

hmmm, muß ein Psychotherapeut der einen Depressiven behandelt selbst depressiv sein oder reicht es wenn er erlernte und durch Behandlungserfahrung erworbene Fachkenntnisse hat?