Übermorgen werde ich als Zuschauerin zu einer Talkshow-Aufzeichnung des rbb gehen. Das Thema des Diskussion lautet: Lust statt Liebe, wird Sex überbewertet? Wir werden sehen, welche Antwort dabei herauskommen wird, mir ist auf jeden Fall in den letzten Wochen mal wieder klar geworden, wie sehr Sex überhaupt bewertet wird.
Wie oft erlebe ich in unterschiedlichen Erotik-Szenen, dass sie glauben, besser zu sein, tiefer zu fühlen, freier im Geiste und zwischen den Beinen zu sein. Angeblich hätten sie den besseren Sex, wären die tolleren Menschen. Sie wären reifer, verantwortungsbewusster, kritischer, offener und fortschrittlicher als die anderen. Der Sex der anderen wäre nicht so wunderbar, so intensiv, so vielfältig, so reif und kreativ wie der eigene. Hier als Beispiel mal ein kleines Zitat, das ich im Buch „Frühstück zu dritt“ gefunden habe:
Meiner Meinung nach stellt auch Monogamie einen Mangel dar. Ein einziger Mensch soll auf Biegen und Brechen zumindest für die gesamten sexuell-erotischen, oft auch emotionalen und intellektuellen Bedürfnisse herhalten. Warum eigentlich? Mir scheint, als diene die Idee der Monogamie lediglich dazu, inneres Wachstum zu verhindern, Verantwortung für das eigene Glück abzulehnen. Für jeden ganz persönlich und damit auch in gesellschaftlicher Hinsicht.)
Natürlich ist es nicht einfach, wenn die eigene sexuelle Lebensart von der gesellschaftlichen Norm(alität) abweicht und wenn man dafür kritisiert wird. Egal, ob es dabei um gleichgeschlechtliche Liebe, offene Beziehung oder sadomasochistische Praktiken geht. Es ist sicher nicht einfach, neue Lebensformen öffentlich zu leben, wenn es bislang keine Vorbilder gibt.
Aber bringt es einen wirklich weiter, sich zu rechtfertigen, oder gar zum Gegenangriff überzugehen und die Sexualität des Gegenübers zu bewerten oder gar abzuwerten?
Wann wird die Gesellschaft endlich so weit sein, dass sie anerkennt, dass zu dem einen Menschen dies passt, und zu dem anderen Menschen besser das? Wann werden sexuelle Varianten einfach als selbstverständlich angesehen? Doch selbst das wäre nicht allen recht: Ich habe schon von einem Latexfetischisten gehört, dass er es gar nicht so schlecht fände, dass der Latexfetisch noch den Ruf des Verruchten hätte. Wenn alle Latex mögen würden, wäre er ja gar nichts Besonderes mehr.
Man sieht, Sex ist nicht nur Sex, sondern kann auch noch Identität bilden. Und wenn die Identität hauptsächlich über die eigene Sexualität definiert wird, ja dann… Dann wird Sex wirklich überbewertet. Also machen sie es doch wie Sie wollen und lassen Sie die anderen reden. So, wie es gerade ist, ist es perfekt!
2 Kommentare:
So, wie es gerade ist, ist es perfekt?
Ah, dann miss-träumen also diese unzufriedenen Massen, nein besser noch: sie glauben ja nur diesem medial gelogenen Bild unglaublicher Leidenschaften, Ekstasen und orgiastischer Erfahrungen - stimmt's?
Ja, so einfach ist das wohl: Alles ist eigentlich gut, der Nachbar hat ja auch keinen besseren X, auch wenn er gelernt hat, gewisse gesellschaftlich-kulturelle Komplexe zu überwinden ...
-schmunzel-
Ich meine dieses "perfekt" nicht wörtlich. Mir ging es darum klarzumachen, dass es man sich entspannen sollte mit der Situation, wie sie gerade ist. Und dennoch schauen, wie es weitergeht. Man soll sich gerade nicht messen am Sex anderer, sondern nur an sich selbst, wenn überhaupt...
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